P. Metz: Schulen auf besonnter Höhe

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Titel
Schulen auf besonnter Höhe. Gründung und Entwicklung von alpinen Mittelschulen in der Schweiz


Autor(en)
Metz, Peter
Erschienen
Chur 2019: Tardis Verlag
Anzahl Seiten
366 S.
Preis
CHF 48.00
von
Andrea De Vincenti, Pädagogische Hochschule Zürich

Die Geschichte der Mittelschulen wird gerne als Festschrift oder Fallbeispiel anhand einer Einzelschule untersucht.1 Peter Metz, Bildungshistoriker und emeritierter Professor der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz in Basel, fokussiert mit seiner ausführlichen Studie zu Gründungen und Entwicklungen alpiner Mittelschulen nun aber auf diesen besonderen Schultypus in der gesamten Schweiz für die Zeit zwischen 1875 und 1950. Die ab 1875 gehäuft auftretenden Gründungen alpiner Mittelschulen in privater, nicht konfessioneller Trägerschaft verortet Metz im Gesundheitsdiskurs der Zeit, der etwa über das Konzept der gesunden Höhenluft, aber auch über den Bergtourismus und -sport eng mit einer Mythologisierung der Alpen verflochten war.

Aus einer für die Schweiz ermittelten «Grundgesamtheit» (S. 17, 30f.) von 42 alpinen Mittelschulen werden deren 16 bezüglich ihrer Gründungsmotive und -hintergründe, der Gründerpersonen sowie der jeweiligen Schulprofile näher untersucht. Angesichts einer fehlenden Archivierungspflicht für Privatschulen beschreibt Metz die Quellenlage als schwierig. Mit akribischer Recherchearbeit gelang es ihm dennoch, für die 16 ausgewählten Institute Jubiläumsschriften, Jahres- und Zeitungsberichte sowie Prospekte zusammenzutragen, um die einzelnen Institutionen und ihre Leitungen zur Darstellung zu bringen.

Eingeteilt in regional geordnete Kapitel werden die einzelnen Schulen nacheinander porträtiert. Erst im Resümee auf den letzten gut 30 Seiten werden «Grundmuster» (S. 297) eruiert, Schulprofile analysiert, die Kontexte des Alpenmythos, des Gesundheitsdiskurses noch einmal ausführlich diskutiert sowie auch die engen Verbindungen zu den Entwicklungen von Tourismus und Hotellerie besprochen. Der Band schliesst mit kurzen Beschreibungen von Spannungsfeldern und Anschlussfragen. Im Anhang finden sich ein wiederum nach den einzelnen Privatinstituten unterteiltes Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Personen- und Ortsregister.

Im Kanton Bern lagen zwei der porträtierten alpinen Mittelschulen. Der Autor weist ihm bezüglich Schulprofilen eine Art «Brückenfunktion» zu (S. 299), indem auf seinem Gebiet sowohl die eher in der Westschweiz vertretene Schulform mit Doppelstandorten als auch die eher in der Ostschweiz verbreitete Schule auf mittlerer Höhenlage vorkamen.

Eine solche Schule auf mittlerer Höhenlage stellte die von Paul Geheeb geleitete Ecole d’Humanité auf dem Hasliberg dar. Paul und Edith Geheeb-Cassirer, durch den Nationalsozialismus zur Emigration aus Deutschland gezwungen, liessen sich mit ein paar Zöglingen der von ihnen gegründeten Odenwaldschule zunächst in der Westschweiz nieder, bevor sie ihr Institut 1946 nach Goldern verschoben. Zentrale Pfeiler des konzeptionell nach wie vor eher an einem Landerziehungsheim ausgerichteten Schulkonzepts bildeten die koedukativ geführte Schulgemeinschaft sowie das Ziel, Individualität und eine Nationalitäten überwindende Humanität heranzubilden, die letztlich als Beitrag zur Friedenssicherung verstanden wurden (S. 225, 231).

Ein deutlich anderes Profil wies das 1915 / 16 eröffnete Töchterinstitut Elfenau auf. Verteilt auf zwei Standorte – Bern und Grindelwald – zielte es auf die Vorbereitung bürgerlicher Töchter aus unterschiedlichen europäischen Ländern auf ein standesgemässes Leben als Hausfrau und Mutter sowie auf Examen in Bereichen wie Sprachen, Hauswirtschaft, Handel, Sekretariat oder auch Naturwissenschaften (S. 205, 210). Das Schuljahr war rhythmisiert durch die Wechsel zwischen den Standorten: dem ehemaligen Hotel «Alpina» in Grindelwald, das im Hochsommer und Winter als idealer Ausgangspunkt für Sommer- und Wintersport galt, und der stadtnahen und modernen Villa Elfenau im Frühling und Herbst. Die Übernahme einer ehemaligen Hotelanlage durch eine Privatschule war in der untersuchten Zeit keine Seltenheit und spiegelt auch den im Zug des Ersten Weltkriegs erfolgten Einbruch der Hotellerie in der Schweiz. Die mit Emma Louise Fischer-Chevallier weibliche Leitung des Instituts Elfenau war hingegen eher aussergewöhnlich, waren die meisten Institutsleiter doch durch ihre Ehefrauen unterstützte Männer – auch an den Mädcheninstituten (S. 306). Dabei übernahmen die Ehefrauen durchaus zentrale Aufgaben etwa in Bereichen der Organisation von Haushalt und Personal oder der Erziehung und Lehre (S. 306f.). Metz vermutet daher, Privatschulen hätten einen besonderen Beitrag zur Emanzipation der Frauen geleistet, und ruft zur weiteren Untersuchung dieser Frage auf (S. 320).

Als nicht nur den Berner, sondern allen untersuchten Schulen gemeinsame Merkmale eruiert Metz ihre Orientierung am internationalen Bildungsmarkt sowie die Indienstnahme des Images der Schweiz als touristisch und landschaftlich attraktives Reiseziel mit stabilen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen, welche die werbend stets in den Vordergrund gerückten Aspekte Gesundheit, Erholung und Sport plausibel erscheinen liessen (S. 317). Dass die hochpreisigen Bildungsangebote an den alpinen Mittelschulen auf eine Elite zielten, liegt auf der Hand und führte teilweise zu Spannungen mit der ortsansässigen Bevölkerung. Diese Spannung zwischen lokaler Verwurzelung und internationaler Ausrichtung der Institute dürfte auch darin begründet liegen, dass viele Schulgründer nicht aus den Standortkantonen oder aus der Schweiz stammten (S. 303, 318f.).

Die Tätigkeit gewisser Akteure an mehreren der alpinen Mittelschulen wirft indes Fragen nach der Zirkulation von Wissen und Personal zwischen den Instituten auf, die eine stärkere Verbindung der 16 Einzelporträts oder gar eine nach systematischen Kriterien geordnete Untersuchung nahegelegt hätten. Dennoch versammelt das Werk in einem sorgfältig recherchierten Tableau die verschiedenen Porträts der alpinen Mittelschulen und bereitet so bisher nirgends nachschlagbares Wissen auf. Darüber hinaus lassen die durch die Verknüpfung mit ausserhalb der Bildungsgeschichte liegenden Teilgebieten der Historiografie (Tourismus-, Verkehrs- und Alpengeschichte) angeregten Fragen nicht nur die Lektüre dieser Studie, sondern auch eine weitere Beschäftigung mit der zugleich ergiebigen und aussergewöhnlichen Thematik als lohnend erscheinen.

1 So für Bern etwa Stalder, Birgit: Der Gymer. Geschichte und Gegenwart des Gymnasiums Kirchenfeld. Thun 2018.

Zitierweise:
Andrea De Vincenti: Rezension zu: Metz, Peter: «Schulen auf besonnter Höhe». Gründung und Entwicklung von alpinen Mittelschulen in der Schweiz. Chur: Tardis 2019. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 1, 2021, S. 63-65.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 1, 2021, S. 63-65.

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